Durch den Corona Virus erleben wir seit Mitte März eine radikale Wende, wie wir uns begegnen sollen und dürfen: Home Office anstatt Büro, Videokonferenzen anstatt Besprechungen, Physical Distancing anstatt Tagung. Aber Menschen möchten sich begegnen. Und langsam bereiten wir uns darauf vor, auch in Zeiten von Corona wieder direkten Austausch zu ermöglichen. Aber wie kann man dies organisieren, ohne Menschen zu gefährden oder auszuschließen? Inklusion ist das Stichwort. Besonders für jene Menschen, die sich dem Risiko einer Ansteckung mit Covid-19 nicht aussetzen dürfen oder wollen. Denn es sollte jeder und jedem freigestellt sein, zu welcher Form der direkten Begegnung man bereit ist. Das heißt, wir sollten Formate finden, die beiden Ansprüchen genügen: digital und analog. Hybride Formate, die auch flexibel auf sich verändernde Regularien für Zusammenkünfte reagieren könnten.
Die folgenden Überlegungen leiten mich, wenn ich derzeit mit Veranstaltern über ihre geplanten Besprechungen, Netzwerktreffen und Tagungen in den Dialog trete.
1. Form@ follows Function
Viele Veranstaltungen können nicht im geplanten Format stattfinden. Eine reine Verlagerung ins Netz oder komplette Absage müssen nicht die einzigen Lösungen sein. Veranstalter sollten sich fragen: Wen will man erreichen und warum? Wenn man nur informieren will, kann man die geplante Tagung online über Webcasts und Webinare anbieten. Wenn die Vernetzung mit angedacht war, muss man offene Partizipationsmöglichkeiten anbieten. Wenn es die Räumlichkeiten erlauben, kann man in geringer Zahl und mit entsprechenden Abstand Teilnehmer zulassen und direkten Austausch ermöglichen. Die anderen können online zugeschaltet, dort vernetzt und ihre Fragen über Chat einbezogen werden. Beide Gruppen, anwesend und zugeschaltet, werden es danken, wenn man Redebeiträge von Sprecher/innen auf das Notwendige kürzt. Dafür aber im Nachgang digital zur Verfügung stellt.
2. Mehr Inhalt, weniger Sitzmarathon
Lange Sitzungen haben meiner Ansicht noch nie wirklich die besten Inhalte hervorgebracht, sondern eher der Erschöpfung geschuldete Kompromisse. Warum also bei der Länge bleiben? Wenn man niemand mehr anreisen muss, kann eine Sitzung kann auch auf zwei Tage gelegt werden. Den Teilnehmenden gibt man damit auch mehr Raum und Zeit zum Denken. Das Festhalten an Zeitbeschränkungen sollte bestehen bleiben, um Entscheidungen herbeiführen zu können. Vor dieser Last kann auch eine Online Konferenz niemanden befreien. Aber wer klar denkt, entscheidet meist auch besser. Dies gilt natürlich auch für Veranstaltungen, bei denen Nichts entschieden, aber viel gelernt werden muss.
3. Über das Netz mehr Menschen erreichen
Tagungen haben auch etwas Exkludierendes, in dem nur eine bestimmte Anzahl an Menschen teilnehmen können. Der Klassiker war bisher immer, eine Tagung auf einen ganzen Tag zu setzen, damit sich die Anreise lohnt. Glücklich diejenige, die reisen durfte. Auch hier kann man neu denken und mehr Menschen inkludieren. Warum soll nur die Chefin den Vortrag hören, wenn er für alle Mitarbeitenden interessant ist? Dafür sollte man aber auch die Bereitschaft aller erhöhen, Gesagtes und Diskutiertes aufzunehmen und online bereit zu stellen. Und die Plattform dafür muss auch nicht immer Youtube sein und online heißt auch nicht automatisch für alle. Aber gerade den Interessierten kommt man damit entgegen, sich noch länger mit dem Gesagten auseinanderzusetzen.
4. Gesundheit auf allen Ebenen schützen
Wir alle wissen von der Müdigkeit am Ende eines Tages voller Videokonferenzen. Dazu trägt nicht nur langes Sitzen, sondern anstrengendes Hören und Sehen bei. Als Moderator und Veranstalter müssen wir auf die Gesundheit der Menschen im Raum und auf der anderen Seite des Bildschirms achten. Haben Sie eine Pause, um mal die Augen zu entspannen und den Rücken zu strecken? Ist der Ton und die Rededisziplin so gut, dass am Ende niemandem die Ohren pfeifen? Sorgen wir für genügend Biopausen? Wer in der Mittagspause beisammen sein will, kann dies auch in kleineren digitalen Räumen. Und wenn sie es richtig gut machen wollen, dann sorgen sie doch für leibliches Wohl über dezentrale Catering Angebote oder Gutscheine mit lokaler Verpflegung.
5. Dialogform bestimmt Technik
Interne Sitzungen oder etablierte Netzwerke sollten immer die Videokonferenz Technik nutzen, die innerbetrieblich oder gemeinsam auch sonst genutzt wird. Aber müssen Bürgerinnen bei Beteiligungsprozessen sich erst schwer in Neues einarbeiten, nur um eine Stunde zugeschaltet zu sein? Und das heißt nicht automatisch, dass man gleich alles bei Facebook oder Zoom einstellen muss. Aber je mehr Menschen ich erreichen will, um so weniger Klicks sollten notwendig sein. Das heißt für eine Tagung aber auch, dass man mit zwei Plattformen arbeiten kann. Während der Plenarphase Zoom oder Jitsi für eine breite Einbindung, die Workshops dann bei Webex oder Edudip im vertrauten Format. Alles ist möglich, der Nutzen für Ihre Teilnehmenden sollte im Vordergrund stehen. Und die Kosten dabei natürlich im Rahmen bleiben.
Egal wie Sie sich entscheiden. Am Anfang steht der Dialog. Auch und gerade in Zeiten der Corona Krise.
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